Rauchen verbindet!
Raucher werden geächtet, vor die Hintertür gedrängt – und sind trotzdem irgendwie cooler. Schon zu meinen Abizeiten tauschten sich auf Raucherinseln Oberschüler zwanglos mit Lehrern aus. Volljährig mit der Kippe in der Hand betrat man eine Welt ungeminderten Informationsflusses. Hier spielte die Musik – hier erfuhr man, was hipp und angesagt war.
Wenn ich eine Woche im Urlaub war, brauch ich ungefähr zwei Zigarettenlängen, um wieder auf Stand zu kommen
Rauchen mag tödlich sein, aber es ist eben auch verdammt erhellend, wie dieses Zitat einer unserer Kundinnen (Personalchefin für über 250 Mitarbeiter) zeigt.
Heute treffen sich draußen vor der Tür neben Aschenbechern Vorstände und Fließbandarbeiter und sind plötzlich über Hierarchiegrenzen hinaus Leidensgenossen. Bei der Frage „Ham Se mal Feuer?!“ spielen Gehalt und Position keine Rolle. Aber es ist nicht nur die vertikale Unternehmensschichtung, die für eine Zigarettenlänge durchbrochen wird. Ein simples Ritual fördert den horizontalen Austausch über Abteilungsgrenzen: Es ist ein No-Go, seiner Sucht stumm vor sich hin zu frönen. Raucher quatschen – so einfach ist das.
Die Vernetzungsdichte unserer globalisierten Welt explodiert und zwingt Unternehmen zur Veränderung. Und damit wird ausgerechnet das weiche und bisher so oft belächelte Thema “Unternehmenskultur” zum knallharten Erfolgsfaktor.
„Die Vorhersagbarkeit dieser Zeit bricht nach und nach in sich zusammen. Im neuen Jahrtausend scheint es keine Ruhezonen mehr zu geben.“ – Prof. Dr. Peter Kruse, Change-Managment-Papst
Wir befinden uns im Übergang vom Brockhaus- zum Wikipedia-Zeitalter. Während die Bedeutung des WeQ, der Gruppendynamik, der Schwarmintelligenz, des Crowdsourcing von Denkprozessen im Team sprunghaft zunimmt, verkommt die des IQ, des Ego, der Hierarchien zur Bedeutungslosigkeit. Fakt ist – in Zeiten sich stetig verkürzender Innovationszyklen wird Kommunikation zur strategischen Herausforderung. Können Raucher und ihre soziologischen Rituale als Erfolgsmodell dienen, um Innovationen in Unternehmen zu pushen? Ja!
Google vernetzt seine Firmenzentrale in Zürich ohne Raucherinseln. Der Internetkonzern hat auf ein anderes orales Suchtmittel gesetzt: den Schokoriegel. Um die Mitarbeiter dazu zu bewegen, in der Kaffeepause nicht immer den Weg zur nächstgelegenen Teeküche einzuschlagen, wurde das Angebot der Kaffeesorten, Snacks und Schokoriegel ganz bewusst diversifiziert. Wer also auf Karamell steht, muss halt weiter gehen – und befruchtet im Vorbeigehen, wie die Biene mit Pollen, fremde Abteilungen und Mitarbeiter mit Informationen. So schafft Schokogier bei Google neue Möglichkeitsräume und heizt informelle Kommunikation an.
Nun sind nicht alle Unternehmen Softwarekonzerne mit Gratis- Essenversorgung. Wie also schmuggelt man auch im Mittelstand Rituale in den Arbeitsalltag, die ähnliches leisten können und erhöht die Spontan-Aktivität muffliger Nichtraucher? Regenerative Orte wie Kaffeebars, Teeküchen oder Loungeecken, gemeinsame Aktivitäten wie Kicker, Wii und Tischtennis oder neue Rituale wie der im angloamerikanischen Raum und in Japan übliche Social Evening bringen Schwung ins Kommunikationskarussell!
Wichtig ist, das Ziel von Anfang an sehr ernst zu nehmen: Unternehmen, die sich neue kulturelle Kraftfelder des Austausches erschließen wollen, haben einen Weg vor sich, den nur alle gemeinsam gehen können. Führung und Mitarbeiter sollten gemeinsam diskutieren, spinnen, träumen und entscheiden, welche firmenspezifischen Räume und Rituale sich als „Rauchersubstitut“ eignen. Und – ganz wichtig – diese müssen dann als positiv vom Unternehmen installiert und vor allem von den Führungskräften vor gelebt werden.
Nur durch bewusstes Zulassen, das Unterstützen von Pausen, das Einplanen von Orten, an denen – wie in der Zigarettenpause – nicht gearbeitet wird, sondern die bewußt dem informellen Austausch dienen, ist ein Kulturwandel möglich. Ein Wandel zu neuen kurzen Dienstwegen. Nikotinfrei, versteht sich.