Auf dem Schmunzelmonster zum Armageddon
Als meine Kinder noch klein waren, haben sie kleine Post-its in meiner Brotbüchse versteckt, mit Blümchen und Herzchen drauf oder einer grinsenden Prinzessin. Die bunten Klebezettel haben noch bis zum Abfallen an meinem Bildschirm geklebt und mich daran erinnert, dass der Kern des Lebens nicht in meinem Rechner zu finden ist. Heute senden sie mir WhatsApp-Nachrichten mit Smileys drin. Die meinen dasselbe, gehen aber lange nicht so schön unter die Haut.
Ich war vor kurzem einer der Redner und Zuhörer beim Leipziger Personalforum. Da sprach auch eine zierliche Frau, Führungskräftetrainerin aus Leipzig, die ihren Vortrag dazu nutze, allen Anwesenden noch mal so richtig schön Angst zu machen vor der Digitalisierung. Alles wird schneller, zu schnell. Digitalisierung kostet Arbeitsplätze. Führungskräfte haben nix mehr zu sagen. Disruptive Märkte, Armageddon, fünf vor zwölf… Fehlte nur noch der Aufruf zum gemeinsamen Smartphone-Autodafé beim Get together.
Götz Werner, Gründer einer megaerfolgreichen Drogeriemarkt-Kette und Verfechter des bedingungslosen Grundeinkommens hat einmal zu mir gesagt:
„Lassen Sie sich nicht kirre machen von vermeintlichen Propheten. Das Prinzip hat schon unser Pastor angewendet: Angst machen vor der Hölle. Wenn die Welt so richtig düster scheint, erst dann hört die Gemeinde zu, wenn er das Paradies verkaufen will.“
Wie viele, die Angst verbreiten, verdienen wohl heute an den Ablaßkärtchen? Im Fall der zierlichen Trainerin hießen diese übrigens Führungskräftecoaching. Die Welt entwickelt sich weiter und jeder Heimwerker kann mündig entscheiden, wann er die Motorsäge nutzt, wann die feine Handsäge und wann sich beide gut ergänzen.
„Opa, was war eigentlich deine Lieblings-App, als du Kind warst?“ Kein Satz bringt besser zum Ausdruck, welche Räume uns die Digitalisierung eröffnet. Was für Felix’ Opa unverständliches Teufelswerk, ist für seinen Papa ein unerlässliches Instrument, um Termine zu machen und mit seinen Kollegen zu telefonieren und für ihn selbst eine Wundermaschine, in der Spiele und Musik drin sind. Klar hat das Smartphone unsere Welt mächtig durcheinander gewirbelt. Aber die Digitalisierung ist eher ein Schmunzelmonster, auf dem man fliegen kann, als ein Pferd des Apokalyptischen Reiters.
Wir haben als Arbeitsweltverbesserer und Architekten tagtäglich mit denen zu tun, die an allem Schuld sind. Wir entwickeln Räume für Softwareentwickler und Programmierer, für die Nerds, die mit Ihren Quellcodes das digitale Monstrum füttern und eigentlich nur noch hungriger machen. Und wissen Sie, was die sich von ihrem Arbeitsplatz wünschen? Die gehen für ihren hängenden Garten auf die Barrikaden, wünschen es sich bunt, natürlich, gemütlich und cool in ihren Teeküchen. Und dann kaufen sie selber dafür noch Kuschelkissen mit Meister Yoda drauf. Die Nerds lümmeln sich lieber auf dem Sofa als im virtuellen Raum.
Für unser design2sense-Büro ist der Vormarsch der virtuellen Welt schlicht das Schlaraffenland: Nie durften wir kreativer arbeiten, haben wir mehr Farbe, mehr Echtholz und beschreibbare Wände verbaut. Je komplexer die virtuelle Welt wird, umso wichtiger scheint unseren Kunden die Qualität der realen Büroräume zu sein: Haptik, Atmosphäre, Wohlfühlklima – besonders unsere Kunde aus dem Bereich Softwareentwicklung und Programmierung wollen für ihre Mitarbeiter das Besondere, das Tollste.
Finden Sie auch, die Welt dreht sich zu schnell und wir haben es nicht mehr im Griff? Sind Facebook, Amazon und Google unser Untergang? Dann sind Sie nicht allein und diese Angst ist übrigens so gar nicht neu. Den Begriff CADCAM gab es schon zu DDR-Zeiten, gern kolportiert als „Computer am Dienstag, Chaos am Mittwoch“ – woher kommt es bloß, dieses Grauen vor dem Digitalen?
Ich kann diese Sichtweise leider nicht teilen. Die Erfindung des Penicillin, des Wasserclosets, des Fahrstuhls oder der staatlichen Trinkwasserversorgung haben auch nach heutigem Stand noch größeren Einfluss auf die Geschichte der Menschheit gehabt als das IPhone und Bill Gates.
Ist die Industrialisierung 4.0 so wesentlich für unser Menschsein? Oder sind wir nicht eigentlich in der Lage, im Notfall auch wieder drauf zu verzichten? Ich persönlich könnte ohne Handy – aber ohne Wassercloset wär´s echt…