Illustration von 3 Personen eingeramt von einem Kreis Post-Its: Mitarbeiterpartizipation

Was ist Mitarbeiterpartizipation? Über die Vorteile von Schwarmintelligenz gegenüber dem Vordenkertum einzelner Entscheider.

Klügere Entscheidungen durch „Kopflosigkeit“?

Partizipation ist gerade in aller Munde. Im Wesentlichen geht es darum, dass Chefs ihre Mitarbeiter an Entscheidungsprozessen beteiligen sollen. Meine Kinder würden es übersetzen als: „sie mitspielen lassen“. Das Verrückte: Partizipation ermöglicht Crowdsourcing.


Crowdsourcing beschreibt die „Weisheit der Vielen“, kollaborative Leistungserbringung, gemeinsames Denken. Aber ob sie nun das Wissen der eigenen Mitarbeiter [Partizipation] oder das Ihrer Kunden, Fans oder sonstiger Mitdenker [Crowdsourcing] anzapfen – in jedem Fall bringt gemeinsames Denken viel viel mehr.

Arme Chefs

Was meine Kinder auch wissen: Nicht mitspielen lassen ist auf dem Schulhof blöd.
In der Wirtschaft aber nach wie vor Status Quo. Chefs entscheiden. Dafür werden sie schließlich bezahlt. Und die finden eigentlich, also „so ganz ehrlich“ Partizipation blöd. Wo kämen wir denn da hin, wenn jeder mitreden darf? Wunschkonzert, Chaos, Revolution…

 

Da muss ein Erklärer wie Gerald Hüther im Managermagazin 11/2016 erst deutlich machen, dass:

„die Zeiten, in denen der Chef alles überblickt, vorbei sind.“*

Armer Chef. Armer Chef? Selbst Schuld!

Hätte er seine Mitarbeiter schon früher in Entscheidungsprozesse eingebunden, wäre er jetzt nicht überfordert und unterinformiert und müßte nicht Gerald Hüther fragen, was er nun machen soll.
Dabei können heutige Chefs noch froh sein. Wer die Zeichen der Zeit verpasste und die Gefolgschaft nicht mitspielen ließ, wurde in vergangenen Jahrhunderten erschlagen, mit Mistgabeln gejagt oder gar geköpft wie Ludwig der XVI. Die Guillotine wurde quasi erfunden, um diejenigen kopflos zu machen, die partout keine Partizipation einführen wollten.

Erlaubnis zum Pinkeln

In vorindustrieller Zeit war die Welt noch in Ordnung. Da wurde vom Hahnenschrei bis zum Sonnenuntergang geschuftet und alle haben mitgemacht. Elitäres Rumgesitze und Rumkommandiererei gab es noch nicht. Mit Start der Industrie 1.0 vor 250 Jahren gaben dann nicht mehr Sonnenlauf, Wetter und Jahreszeiten den Takt der Arbeit vor, sondern Maschinen. Es wurden Aufpasser eingestellt, die den in die Fabriken strömenden analphabetischen Bauern beibrachten, dass sie das Fließband nicht einfach so zum Pinkeln verlassen konnten. Die Stechuhr wurde eingeführt, Sanktionen fürs Zuspätkommen, der 9 to 5 Arbeitstag und -takt erfunden.

Bis heute sind diese anachronistischen Kontrollmechanismen geblieben, obwohl die wenigstens noch an Fließbändern arbeiten. Aus Vorstehern wurden Vorstände und die Insignien des Aufpassertums immer differenzierter: Boni, Eckbüro, Maßanzug, Vorstandsklo, PSstarke CO₂-Schleuder mit Schummelsoftware.

Der Sprachgebrauch zeigt recht deutlich, wie sehr sich mancher Manager die Zeiten vor der Egobedrohung zurück wünscht. Da wird das Unternehmen nicht als lebendiger Organismus begriffen, sondern als Maschinerie, in der alles reibungslos wie geschmiert funktioniert. Im Führungskräftetraining werden Hebel oder Triggerpunkte zur Produktivitätssteigerung gesucht. Querulanten sind „Sand im Getriebe“, unproduktive Mitarbeiter austauschbar. Solche Unternehmen gehören allerdings bald – um in der Metapher zu bleiben – zum alten Eisen.

Ancien Regime und Einhörner

Wissen sie was „Unicorns“ sind? Angeblich pupsen Einhörner Regenbögen. Vielleicht tun sie das sogar, zumindest schöpfen sie aus der kunterbunten Vielfalt ihrer Mitarbeiter eine große Kraft. Wirtschaftliche “Unicorns” sind Startups mit einem Firmenwert über einer Milliarde Dollar. Wer rechnen kann und weiß, dass die meisten Startups nicht sonderlich alt sind, stellt fest, dass Unicorns in ziemlich kurzer Zeit ziemlich wertvoll = reich werden.

Wie schaffen sie das? Sie machen sich auf dem Weg zum Erfolg dabei eine Erkenntnis zunutze, die Heinrich von Pierre mit seinem Satz:

„Wenn Siemens wüsste, was Siemens weiß“

schon 1995 hatte: In hierarchischen Strukturen, in denen Wenige Alles einsacken, bleibt der einzelne Untergebene lieber auf seinem Wissen sitzen und macht Dienst nach Vorschrift.
Während frühere Generation sich noch die Zeit genommen haben, die Vertreter des Ancien Regime gepflegt zu köpfen, überholen im Zeitalter der Industrie 4.0 die Unicorns einfach alles, was sich zu langsam wandelt. Denn sie sind völlig anders strukturiert. Sie haben eigenständige, vernetzte Teams. Wände sind zum Beschreiben, Teeküchen zum Quatschen, der PostIT-Verbrauch rasant. Überall wird geredet, gedacht, gesponnen – nicht in starren Strukturen, sondern in weitläufigen, campusartigen Gebilden. Theodor Storm sagt:

„Der eine fragt – was kommt danach? Der andre nur: Ist es recht? Und also unterscheidet sich der Freie von dem Knecht.“

Innovation und Kreativität passiert in Zukunft nur bei Freien. Und so erschließen sich Uber, Spotify, Netflix, AirBnb, um nur einige der wertvollsten Einhörner zu nennen, die Wissensquelle dieser Freien, die Weisheit der Vielen, die in den großen Konzernen mit ihren starren Strukturen zunehmend versiegt.

Der Topf am Ende des Regenbogens wartet auf jedes (!) Unternehmen, das seinen Mitarbeitern auf Augenhöhe begegnet und sich auf den Dialog mit dem Einzelnen einlässt – und zwar branchenunabhängig. Riskieren Sie einen Blick auf AUGENHÖHE. Das Filmprojekt zeigt Unternehmen, in denen Trends wie Selbstbestimmung, Partizipation, Potentialentfaltung bereits gelebt werden – ganz im Sinne von Gerald Hüter, der sagt:

„Wir sind, auch als Führungskräfte, soziale Wesen. Wir brauchen die anderen und sie brauchen uns, um unsere Potentiale zu entfalten. Das kann niemand alleine. Kurzfristig vielleicht, aber nicht über lange Zeiträume.“

In diesem Sinne – behalten Sie den Kopf oben und schauen Sie nach rechts und links!

Kleiner Lesetip – wer sich weniger polemisch vertiefend mit dem Thema beschäftigen will, dem sei das Buch „Reinventing Organizations“ empfohlen. Das wird der Strukturwandel gut nachvollziehbar beschrieben.

04.12.2016 in people