Illustration Bürotoilette und Klopapiertausch

Die Zukunft des Büros: Wie man dem verkrampften Gang zum Büroklo begegnet.

Heimscheißer wider Willen

„Der Abort japanischen Stils ist so konzipiert, dass der Geist im wahrsten Sinne Ruhe findet. […] und wenn man in Ihrem Halbdunkel kauert und, vom matthellen Widerschein der shoji beschienen, sich seinen Träumereien hingibt oder den Garten vor dem Fenster betrachtet, so ist das ein ganz unbeschreibliches Gefühl.“ schreibt der japanische Philosoph Junichirö Tanizaki. 

„Ich liebe es, auf einem solchen Örtchen dem sanften Rieseln des Regens zu lauschen.“

Mal ganz im Ernst – haben sie schon mal auf dem Büroklo gesessen und etwas verspürt, was der Beschreibung von Junichirö Tanizaki auch nur nahekam? Nur wer wirklich muss, geht hier zum Müssen hin, wo immer die Gefahr droht, dass jemand sich auf die Zelle nebenan setzt. Man hört, wie der Gürtel geöffnet, der Deckel hochgeklappt wird und mit einem leichten Stöhnen die geräuschvolle Erleichterung einsetzt, kurz gefolgt vom passenden Geruch zum Gehörten. Während der / die Andere sich dann nach dem Toilettenpapier umdreht, erscheint unter der zu kappen Papptrennwand der Schuh und man sieht, den Atem anhaltend, was man eigentlich gar nicht wissen wollte: wer da noch doller musste.

Hand aufs Herz – gehen Sie im Büro „groß“ aufs Klo?

Ich habe drei Kinder zwischen 14 und 22 Jahren – alle Heimscheißer. Meine große Tochter z.B. hatte ein traumatisches Erlebnis im Kindergarten mit einer Schlange vor dem Klo, die sie nicht können ließ, obwohl sie musste. Kindergarten, Schule, Studium… bis ins Büro verfolgen sie uns: WC-Trennwände, die man zwar super beschreiben kann, die ihren eigentlichen Zweck allerdings nicht erfüllen: Privatsphäre und Schutz zu spenden, den man dringend benötigt, wenn man dringend muss.

Danijela Pilic stellt in ihrem Cosmopolitan Artikel “Groß im Geschäft“ zwar die These auf, Bauchkrämpfe im Büro seien ein typisches Frauending, während Männer damit gar kein Problem hätten und selbstbewusst pfeifend mit der Zeitung unterm Arm aufs Örtchen verschwinden. Fragen Sie Ihre Freunde – das stimmt nicht! ALLE haben ein Problem damit. Ich habe mir in den letzten Monaten den Spaß gemacht, bei Geburtstagsrunden, in der Kneipe oder der Mittagspause in die Tabuzone zu pieksen: Wer von euch geht eigentlich unverkrampft aufs Büroklo?  

Ungelogen, egal wo ich das Thema angesprochen habe, hatte ich am Ende eine Traube von sich aufregenden Menschen um mich, die mir von Ihren Traumata berichtet haben; heilfroh, sich den Leidensdruck mal von der Seele reden zu können. Mann wie Frau, Chef wie Sekretärin. Alle!

Deutsche Bauchkrampf-Kultur?

„Unsere Vorfahren, die die Gabe hatten, alles zu poesieren, machten aus dem an sich unsaubersten Ort des Hauses einen Ort des guten Geschmacks, verbanden ihn mit der Schönheit der Natur und umgaben Ihn mit einer Aura von liebenswerten Assoziationen. Verglichen mit der Einstellung der Abendländer, die den Ort von Grund auf unrein behandeln und sich sogar scheuen, in der Öffentlichkeit davon zu sprechen…“ schreibt Herr Tanizaki.

Wer ist eigentlich auf die schwachsinnige Idee gekommen, die Klotrennwände so kurz und vor allem so dünn zu machen? Und was treibt uns an, damit weiterzumachen? Sie können in die Bauten der besten Architekten dieser Welt gehen, Museen, Flughäfen, ja selbst in Botschaften; spätestens auf dem Klo sind sie alle gleich: hellhörig, unprivat und lieblos. Viele meiner Bekannten haben gestanden, sich ihre Privatsphäre beim Stuhlgang zu holen, indem sie aufs Behinderten-WC gehen. Warum? Weil die Kabine dicht ist, mehr Platz da ist und ein eigenes Waschbecken neben dem Klo hängt. Zudem sind Behinderten-WCs schwächer frequentiert und damit wahrscheinlich sauberer.

Was um alles in der Welt spricht dagegen, jede WC-Kabine einen halben Quadratmeter größer zu machen, die Trennwände bis zum Boden und unter die Decke gehen zu lassen, dicht schließende Türen zu verwenden und in jede Kabine ein eigenes Waschbecken zu hängen, vielleicht noch mit ´nem anständigen Spiegel und gutem Licht? Und dann den Architekten noch zwei Tage mehr planen zu lassen, damit er schöne Fliesen aussucht und mit dem Farbkonzept nicht vorm Klo aufhören muss!? Wie zu Hause halt – da haben Sie ja sicher auch nicht einfach billige weiße Fliesen an die Wand geklatscht und sich die allergünstigsten Schüsseln rausgesucht? Ja – und wenn´s jetzt auch noch nach Wald statt nach Klostein riechen würde, könnte man alles machen. Wir Abendländer, wie uns der philosophierende Japaner so schön beschimpft, haben es an diesem sensiblen Ort aber einfach nicht drauf!

Geräuschprinzessin 

Die Japaner haben Ihren Vorsprung heute weit ausgebaut: WCs mit Selbstreinigungs-, Dusch- und Föhnfunktion, berührungslos zu betätigenden Bedienelementen, selbst die Analyse von Urin und Blutdruck sind mittlerweile selbstverständlich. Dass sie ihre WCs aber eben nicht aufs Funktionale beschränken, sondern immer das Wohlfühlen des Nutzers im Blick haben, wird am deutlichsten an der „Geräuschprinzessin“: Im Moment des Eintritts wird per Lautsprecher eine WC-Spülung imitiert, damit auch die aufdringlichsten Darmaktivitäten übertönt werden. So bleibt neben der visuellen auch noch die auditive Privatsphäre. Dass die Gerüche dann auch noch gleich im Klo angesaugt werden, versteht sich von selbst.

Sein Geschäft erledigen

Die europäischen Klo-Sitten haben sich übrigens im Laufe der Zeit gewandelt. Die Römer nämlich kannten das Problem mit der Privatsphäre noch nicht. Sie gingen aufs Gemeinschaftsklo, diskutierten, philosophierten und redeten über Verträge – der Begriff „sein Geschäft erledigen“ ist über 2.000 Jahre alt und stammt aus eben dieser Zeit. Wenn Sie nun das nächste mal das Stille Örtchen aufsuchen und sich die Trennwände mal genau anschauen, so werden Sie feststellen, dass die Schüssel, die Ihnen Ihr Unternehmen anbietet, deutlich mehr ans römische als an das japanische Pendant erinnert. Fangen Sie doch beim nächsten Mal einfach eine Unterhaltung mit Ihrem Nachbarn an – das bisschen Pappe zwischen Ihnen wird ja nicht groß stören.

Quellen